Mal ehrlich: Magst du Marketing eigentlich nicht? Oder ist es dir unangenehm, sichtbar zu werden und damit verletzlich zu sein? 5 Tipps gegen deine Selbstvermarktungs-Angst:
„Da bekommen mich keine zehn Pferde rein. Nie im Leben!“
Ich stehe im Schwimmbad vor einer Rutsche. Aber nicht irgendeiner, sondern vor einer „Raketenstart-Rutsche“: Man stellt sich fast senkrecht in eine Kapsel, dann wird die Tür geschlossen. Nach 3 Sekunden öffnet sich unter den Füßen eine Klappe und man fällt im fast freien Fall herunter und düste anschließend mit High-Speed durch einen Looping.
Mein Partner kann das gar nicht schnell genug ausprobieren. Ich jedoch tänzeln minutenlang wie ein scheues Reh um die Rutsche herum und versuche zu begründen, was mich davon abhält, das Teufelsding auszuprobieren.
Was, wenn ich mir wehtue? Was, wenn ich zu dick bin und den Looping nicht hochkomme – und in der Rutsche steckenbleibe? (Ich habe es nicht so mit Physik).
Mein Partner rutscht strahlend mehrmals hintereinander und ermutigt mich, es ihm nachzutun „Das macht echt Spaß, keine Angst„.
Ich weiß nicht, was mich abhält. Als Kind war ich anders und habe mich ohne zu zögern vom 10-Meter-Turm geschmissen.
Wann bin ich so ängstlich geworden?
Rational weiß ich, das mir nichts passieren kann. Und trotzdem hält mich ein innerer Widerstand davon ab, es einfach zu tun. Und je länger ich überlege, umso schlimmer wird meine Angst.
Vielleicht denkst du dir: „Mein Gott, ist doch egal. Wenn du Angst hast, dann rutsch halt nicht.“ Ich weiß, dass dies keine wichtige Entscheidung ist.
Es kräht kein Hahn danach, ob ich mich in diese Rutsche wage oder nicht.
Mein Leben wird sich dadurch nicht verändern.
Oder doch?
Vielleicht unterschätzen wir diese kleinen Momente, in denen wir uns überwinden müssen. Denn im Grunde ist Angst einfach Angst – egal, was diese auslöst.
Sei es eine Killer-Rutsche, ein Vortrag vor Publikum, ein wichtiger Telefonanruf oder ein unangenehmes Gespräch mit einem Kunden. Dieses unangenehme Brennen im Magen, schwitzige Hände und das Gefühl, schlecht Luft zu bekommen.
Angst lähmt.
Angst existiert ausschließlich in deinem Kopf
Während ich misstrauisch die Rutsche anstarre, mittlerweile schon seit gut 15 Minuten, fällt mir ein Satz aus einem Film (oder aus einem Buch?) ein:
„Angst existiert ausschließlich in deinem Kopf, es ist nicht real. Alles, was du dir ausmalst, wird voraussichtlich niemals eintreten. Es gibt daher keinen Grund, aus Angst etwas nicht zu tun.“
Versteh mich nicht falsch: Das Prinzip von Angst ist es, uns vor bedrohliche Situationen zu schützen, schnell die Flucht zu ergreifen oder anzugreifen. Das ist gut und wichtig.
Doch heute gibt es nicht mehr viele Situationen, die wirklich bedrohlich für unser Leben sein könnten.
Aber werden wir mutiger? Eher nicht.
Wir sind zwar bestens informiert, doch die Informationen haben den Nachteil, dass wir alle möglichen Risiken kennen. Und dann fangen wir an alles zu zerdenken und uns alle möglichen Horrorszenarien in den schillernsten Farben auszumalen.
Dadurch werden wir zu ängstliche Menschen, die sich in ihre sichere Komfortzone zurückziehen und möglichst wenige Risiken eingehen. Wir versichern uns gegen alles und wollen möglichst wenig Fehler machen.
So kommen wir von großartigen Ideen ins Denken, recherchieren und zerdenken.
Die Angst wird immer größer, bis sie schließlich unsere großartige Idee lähmt. So kommt man nie ins Tun.
Wir alle haben diese Ängste, doch die wenigsten reden offen darüber
Viele gründen kein Unternehmen aus Angst, zu scheitern und als Versager da zu stehen.
Wir haben Angst…
- vor dem Satz „Das habe ich dir doch gesagt“
- dass die eigenen Fähigkeiten nicht ausreichen
- dass alle anderen viel mehr können und intelligenter sind als man selbst
- dass jeder erkennen wird, das man ja eigentlich gar nicht so viel kann
- viel von sich selber Preis zu geben und nicht akzeptiert zu werden.
Wir alle haben diese Ängste, doch die wenigsten reden offen darüber. Es zählt als Schwäche.
Wir werden nicht dazu ermutigt, Fehler zu machen und daraus zu lernen, sondern wir lernen, Fehler zu vermeiden.
Was hat Angst mit deiner Selbstvermarktung zu tun?
Sehr viel!
Die wohl größte Angst von uns ist die, von anderen nicht so akzeptiert und anerkannt zu werden, wie wir sind. Das ist normal, wir sind letztendlich soziale Wesen.
Es ist uns nicht egal, was andere von uns halten.
Doch das führt auch dazu, die eigenen Stimme zu unterdrücken aus Angst, die „echte Stimme“ könnte anderen nicht gefallen. Wir könnten ja auf Ablehnung stoßen.
Angst kann weitreichende Folgen für unsere Selbstvermarktung haben:
- Wir feilen so lange an unseren Texten, bis diese zum Einheitsbrei werden – statt unsere eigene Stimme widerzuspiegeln
- Wir bieten Leistungen an, die wir eigentlich nicht wollen, weil das eben alle so machen
- Wir nehmen alle Kunden, um niemanden auszugrenzen
- Wir zeigen Kunden keine Grenzen
- Wir orientieren uns an Durchschnittspreisen aus Angst, zu teuer zu sein.
Ich kenne so viele tolle Selbstständige und Unternehmen, die ihr Licht unter den Scheffel stellen. Sie arbeiten leise vor sich hin und wollen es allen Recht machen. Im Gespräch erkennt man die Leidenschaft und Kompetenz, die dahinter steckt.
Oft verborgen hinter all den Kompromissen die sie machen, um nicht „anzuecken“.
Nur leider sehen das die (potentiellen) Kunden nicht!
Tief im Inneren vermarkten sich die meisten nicht gerne, da sie Angst haben, andere zu enttäuschen und Anforderungen nicht gerecht zu werden.
Eine Bekannte hat mal zugegeben: „Wenn ich mich vermarkte komme ich mir manchmal vor wie eine Betrügerin – ich kann doch eigentlich nichts überragend gut. Und ich habe Angst, dass das irgendwann ein Kunde merkt.“
Ich verstehe, was sie meint. Wenn einem Dinge leicht fallen geht man automatisch davon aus, dass das jedem leicht fällt. Das man nichts besonders kann. Das man keine einzigartigen Fähigkeiten hat. Warum sollte man das also auch noch großspurig vermarkten?
Du bist es deinen Kunden schuldig, dich zu vermarkten!
Ganz einfach: Weil du es dir und deiner Umwelt schuldig bist! Du bist in einigen Dingen außergewöhnlich gut und eine Bereicherung für die Welt, das meine ich ganz ernst. Jeder Mensch, den ich bisher kennengelernt habe, hat eine einzigartige Kombination aus Fähigkeiten und Talenten. Und Dingen, in denen er nicht so gut ist.
Es ist egal, ob du einige Sachen nicht kannst.
Viel wichtiger: Es gibt da draußen Menschen, die genau deine Fähigkeiten brauchen.
Genau deine Art, Dinge zu erledigen.
Deine Sicht der Welt, deine Erfahrungen und deinen Rat.
Es ist dabei egal, ob du Taxifahrer, Spitzensportler oder Coach bist. Es gibt Menschen da draußen, für die deine Leistungen und Fähigkeiten sehr wertvoll sind.
Aber diese Menschen müssen dich finden. Und dafür musst du dich vermarkten, mit all deinen Ecken und Kanten, aber besonders mit deinen einzigartigen Stärken. Das ist weder unmoralisch noch verwerflich, sondern elementar wichtig!
5 Tipps gegen deine Selbstvermarktungs-Angst:
1. Hol dir Feedback ein
Von Freunden, Familie, Kunden – frag immer wieder nach, was du besonders gut kannst, wo du helfen konntest etc. Am besten nach jedem abgeschlossenem Projekt und jedem neuen Kunden. Lass es dir am besten schriftlich geben und hämmere es dir in deinen Kopf!
2. Schreib ein Erfolgs-Journal
Ja, ich hasse es auch, mir immer blöde Sachen aufschreiben zu müssen. Aber bitte, wenn du nur eine einzige Sache machen solltest, dann ein Erfolgsjournal zu schreiben! Hier notierst du dir jeden Tag ein paar Dinge, die dir gut gelungen sind: Lob von Kunden, schwierige Anruf, dass du dir etwas Gutes getan hast etc. Du wirst staunen, was du im Rückblick alles geschafft hast und wirst jeden Tag deinen Fokus darauf ausrichten. Dein Selbstbewusstsein wächst.
3. „Trigger“ suchen
Suche dir etwas, dass dir Kraft gibt, wenn du Angst hast. Ich habe ein großes Poster an der Wand hängen, worauf steht: Scheiß drauf – mach es einfach! Außerdem ein kleines Lederarmband, auf dem „Courage“ steht. Egal, was dein „Trigger“ ist, es gibt dir Kraft, schwierige Dinge durch zu ziehen. Wie ein kleiner Talisman. Hier wirst du mit einem Blick daran erinnert, dass du deine Angst bereits etliche Male überwunden hast, das gibt nochmal Selbstvertrauen.
4. Mach kleine Schritte
Wenn du ein eher stiller Mensch bist, musst du nicht sofort laut werden und vor großem Publikum Reden halten. Aber du solltest immer wieder einen Schritt aus deiner Sicherheitszone machen und etwas wagen! Halte erst vor Freunden einen Vortrag, schreibe einen Text so, wie er dir gefällt, mache weniger Kompromisse. So wirst du Schritt für Schritt dein „Angst-Gummiband“ weiter dehnen.
5. Sei du selbst
Wie sollen deine Kunden erkennen, was dich einzigartig macht, wenn du es nicht zeigst? Zeig es in Bildern, in deiner Art zu sprechen, in deinen Texten und deinem Lachen! Habe Vertrauen darin, dass die Menschen dich genau so mögen und genug haben von glattgebügelten Sätzen, hohlen Phrasen und Marketing-Bla. Sei leidenschaftlich ganz du selbst!
Ich freu mich darauf, immer mehr von dir zu sehen!
Übrigens: Nach 20 Minuten vor der Rutsche dachte ich: „Scheiß drauf, ich mach das jetzt einfach!“ Ich stampfe mit zitternden Beinen los und stelle mich in die Rutsche. 3…2…1…Augen zu…ich falle.
Es geht runter, rechts, links, Wasser ins Gesicht.
Ein paar Sekunden und dann ist es schon vorbei.
Wovor hatte ich nochmal Angst?
P.S. Hast du noch einen guten Tipp, Angst zu besiegen? Dann freue ich mich sehr auf deinen Kommentar!
Ich würde nie und nimmer so eine Höllenrutsche rutschen, never ever 😉 Da bleibe ich auch echt standhaft. Aber der Bogen zum Marekting trifft mich voll. Das sind genau meine Gedankengänge. O-Ton. Es ist glaube ich sehr eine Typfrage. Introvertierte Menschen neigen doch eher zu den kleinen Schritten, wohingegen Extrovertierte gleich lossprinten. Beides hat Vor- und Nachteile. Der Mittelweg wäre es, für mich zumindest.
Hallo Katharina,
ich glaube, typisch intro- und extrovertiert gibt es gar nicht. Mal ist man sehr ruhig und lebt in anderen Aspekten total auf. Und wer weiß: Vielleicht würde dir die Höllenrutsche doch Spaß machen? 🙂
Liebe Annika,
deine Artikel sind Punktlandungen! Ich finde es sehr wichtig, dass du über dieses Thema schreibst.
Ich habe sehr viel Lebenszeit vertrödelt mit „soll ich oder nicht“. Und jedes Mal, wenn ich einen dieser heiligen Momente verstreichen habe lassen, war etwas in mir traurig. Ich war und bin erfolgreich in meinem Beruf und das musste herhalten als Besänftigung. Irgendwann fing etwas in mir an zu kichern über die albernen Ausreden, die ich über die Jahrzehnte immer wieder bemühte, um meiner Angst HERR zu werden. Vor allem „ich habe Verantwortung…“ griff plötzlich nicht mehr. Ich habe endlich begriffen, ich habe nur für mich Verantwortung und wenn ich verdammt noch mal (sorry) meinen Hintern nicht hochbekomme, dann bin ich schon bald nicht mehr in der Lage, das zu tun, wozu ich hier bin. In dieser wunderbaren Welt. Und dann wusste ich auch plötzlich, wie ich meiner Angst FRAU werden kann. Ich schau sie einfach an. – und sie ist weg!
Alles Liebe
Birgit – Draufgängerin
Vielen Dank für deinen lieben Kommentar Birgit – vielleicht ist es das beste, einfach nicht (oder nur kurz) darüber nachzudenken und direkt zu machen, damit man keine Angst bekommt. Ich hoffe, du findest ganz viele Möglichkeiten, dass zu tun, wofür du auf der Welt bist!
Liebe Annika, der Artikel ist toll. Ich hab auch immer noch begrenzt Angst, mich zu zeigen, weil ich noch davon ausgehe, das es zu wenig Menschen gibt, die meine Fähigkeiten brauchen. Momentan mischt sich mein Tun. Ein bisschen Mainstream um zu leben und ein bisschen meine Fähigkeiten um Menschen immer mehr zu sensibilisieren. Ich merke aber, das es immer mehr in meine Richtung geht. Tiefe Ursachenlösung im Unterbewusstsein, auf energetischer Ebene und im Ahnensystem.
Mein Tipp gegen die Angst: Sie zuerst einmal annehmen und fühlen. Spüren wo kommt sie genau her, wie drückt sie sich aus. Dabei ganz normal atmen. Und danach kann man sich die Angst wie einen Berg vorstellen, der mit jedem ausatmen immer kleiner wird, bis er weg ist ,O)